Der Weg zur optimalen Tunnelvariante
Die Ruhr-Sieg-Strecke stellt eine wichtige Anbindung aus und ins Ruhrgebiet dar, die zukünftig noch bedeutender für die Region werden wird. Die Tunnel bilden dafür den Schlüssel. Denn die Durchfahrt von modernen Zügen des Güterverkehrs wäre durch die vorhandenen Tunnelöffnungen nicht möglich. Im Rahmen des Ausbaus und der Modernisierung verbreitern wir daher unter anderem zehn Tunnel zwischen Hagen und Siegen und schaffen damit eine moderne und zukunftsfähige Eisenbahnstrecke. Alternativ untersuchen wir auch trassennahe Neubautunnel als Ersatz.
Wir schaffen mit den Ausbau- und Modernisierungsmaßnahmen eine zukunftsfähige Eisenbahnstrecke und legen diese auf den Kombinierten Verkehr (KV) aus. Dabei werden Güter über eine möglichst lange Strecke auf der klimafreundlichen Schiene transportiert. Die Transportdauer auf der Straße verkürzt sich hingegen.
Der erste Schritt: das Erkundungsprogramm
Im ersten Schritt untersuchen wir im Rahmen des Erkundungsprogramms jeden einzelnen Tunnel und dessen Umfeld. Die erste technische Erkundung, die wir für die Variantenentscheidung benötigen, konnten wir bereits erfolgreich abschließen.
Es gilt, die folgenden Leitfragen zu beantworten:
- Können die bestehenden Tunnel vergrößert werden oder ist ein Neubau notwendig?
- Ist eine Tunnelröhre für zwei Gleise oder sind zwei Tunnel mit je einem Gleis vorteilhafter?
- Wie groß ist der Umfang der zusätzlich betroffenen Bauwerke, z. B. von Brücken?
- Welches Vorgehen bietet den höchsten Nutzen, ist am kosteneffizientesten und hat die geringsten Auswirkungen auf Mensch und Natur?
Um diese Fragen zu beantworten, führen wir für jeden Bestandstunnel ein Erkundungsprogramm durch. Wir machen Bestandsaufnahmen, Begehungen und Bohrungen. Dabei wird der Zustand des jeweiligen Tunnels und des umgebenden Gebirges genau unter die Lupe genommen: Mauerwerksdicken, Hohlstellen, Grundwasserstände und Gebirgsbeschaffenheit – alles wird auf seine Beschaffenheit geprüft. Wir binden Fachplaner:innen der unterschiedlichsten Gewerke ein, die der Komplexität des Vorhabens Rechnung tragen. Denn hier geht es um Vermessung, Baugrund, Geotechnik und Felsmechanik, Wassermanagement, Brandschutz, Belüftung, Betrieb und nicht zuletzt um Sicherheit.
Der Weg zu den Varianten
Im nächsten Schritt entwickeln wir auf Basis der Untersuchungsergebnisse drei unterschiedliche Vorgehensweisen zur Herstellung von größeren Tunnelröhren (Tunnelprofilen). Diese so genannten Tunnelvarianten haben Vor- und Nachteile. Es gilt, für jeden einzelnen Tunnel die Variante zu identifizieren, die am besten auf den verkehrlichen Nutzen einzahlt und die geringsten Auswirkungen auf Mensch und Natur hat.
Variante 1: Aufweitung des bestehenden Tunnels und Bau eines neuen eingleisigen Tunnels
Wir bauen den bestehenden zweigleisigen Tunnel zu einem eingleisigen Tunnel mit einem veränderten Tunnelprofil um. Daneben bauen wir zusätzlich einen neuen eingleisigen Tunnel. Diese Variante garantiert einen hohen Sicherheitsstandard durch die unabhängigen Tunnelröhren. Die geringen betrieblichen Auswirkungen während des Baus sind ein weiterer Vorteil. Auf der anderen Seite blicken wir hohen Kosten, stärkeren Eingriffen in Umwelt und Natur, einem großen logistischen Aufwand sowie einer längeren Gesamtbauzeit entgegen. Der Bau des neuen Tunnels führt zu großen Mengen an Tunnelausbruch und einem hohen Transportbedarf. Auch benötigt ein neuer Tunnel mehr Platz.
Vorteile
- Geringe betriebliche Auswirkungen
- Hoher Sicherheitsstandard durch unabhängige Tunnelröhren
Nachteile
- Längere Gesamtbauzeit
- Hohe Kosten
- Hoher logistischer Aufwand
- Großer zusätzlicher Flächenbedarf
- Große Mengen an Tunnelausbruch und hoher Transportbedarf
Variante 2: Aufweitung des zweigleisigen Bestandstunnels
Wir weiten die bestehende zweigleisige Tunnelröhre auf. Das bedeutet, wir bearbeiten die Tunnelwände so, dass der Tunnel breiter wird. Die Aufweitung kann entweder unter Vollsperrung erfolgen oder unter Betrieb mit Hilfe der Tunnel-im-Tunnel Baumethode (TiT-Methode, s. unten)
Beim späteren Zugbetrieb müssen wir bei dieser Variante das Begegnungsverbot von Reise- und Güterzügen berücksichtigen, das bei zweigleisigen Tunneln von über 500 Meter Länge gilt. Diese Variante hat für uns Vorteile, da wir keinen zusätzlichen Tunnel bauen müssen. Dazu gehören geringere Kosten, ein geringerer Flächenbedarf, weniger Tunnelausbruch und eine kürzere Gesamtbauzeit als in Variante eins. Wenn wir die TiT-Methode nutzen, ist der Zugverkehr während der Bauzeit weiterhin eingeschränkt möglich. Diese bringt allerdings einen hohen baulogistischen Aufwand mit sich.
Vorteile
- Kürzere Gesamtbauzeit
- Geringere Kosten
- Geringerer Flächenbedarf
- Weniger Tunnelausbruch
- Zugverkehr weiterhin eingeschränkt möglich (durch TiT)
Nachteile
- Hoher baulogistischer Aufwand (mit TiT-Methode)
- Vorübergehende Vollsperrung der Strecke notwendig (ohne TiT-Methode)
Variante 3: Zweigleisiger Neubautunnel und Verfüllung Bestandstunnel
Wir verfüllen den bestehenden Tunnel und bauen einen neuen zweigleisigen Tunnel.
Diese Variante hat nur sehr geringe betriebliche Auswirkungen. Genau wie bei Variante 1 bringt der Bau eines neuen Tunnels jedoch große Mengen an Tunnelausbruch und hohen Transportbedarf, hohe Kosten und zusätzlichen Flächenbedarf mit sich. Außerdem ist beim späteren Zugbetrieb das Begegnungsverbot von Reise- und Güterzügen bei zweigleisigen Tunneln über 500 Metern Länge zu berücksichtigen.
Vorteile
- Sehr geringe betriebliche Auswirkungen
Nachteile
- Hohe Kosten
- Große Mengen an Tunnelausbruch und hoher Transportbedarf
- Zusätzlicher Flächenbedarf
Der Variantenvergleich
Wir wägen diese Tunnelvarianten sorgsam gegeneinander ab und finden so heraus, welche Variante für welchen Tunnel am besten zu den jeweiligen Zielen passt. Bei dieser Beurteilung hat der größtmögliche Schutz der Umwelt einen hohen Stellenwert. Daher werden die notwendigen Maßnahmen so eingriffsschonend wie möglich umgesetzt.
Tunnel-im-Tunnel-Methode
Bauen unter rollendem Rad
Die Methode ermöglicht es, den Zugverkehr während der Bauarbeiten aufrecht zu erhalten. Der Zugverkehr wird auf ein Gleis reduziert, das in die Mitte des Tunnels verlegt wird. Innerhalb des Tunnels wird ein Schutzgerüst errichtet. So können wir zwischen Schutzgerüst und Tunnelwand arbeiten, während die Züge weiter durch den Tunnel rollen. Damit vermeiden wir weitestgehend Störungen im laufenden Zugbetrieb. Zentral ist, dass das Schutzgerüst sehr stabil ist. Nur so kann das Arbeiten parallel zu dem räumlich sehr nah stattfindenden Zugverkehr sicher gelingen. Der Tunnelausbau erfolgt also unter rollendem Rad.